Am 1. Januar 2020 trat das neue Verjährungsrecht in Kraft. Im Fokus der Revision standen die Spätfolgen aus Asbestexposition und anderen gesundheitsschädigenden Bausubstanzen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. März 2014 im Fall «Howald Moor vs. Schweiz») sowie die Probleme bei «geheimen» Baumängeln (Fall «Gretzenbach» vom 27. November 2004).
Im Zentrum der Gesetzesrevision steht vor allem die Verlängerung bestimmter Verjährungsfristen, aber auch Fragen der Verjährungshemmung sowie des Verjährungsverzichts werden teilweise neu geregelt. Bedeutende Änderungen sind:
Neue Verjährungsfristen
Weiterhin gilt die zehnjährige absolute Verjährungsfrist im Delikts- & Bereicherungsrecht, neu mit einer Präzisierung des Beginns. Für alle Fälle, bei denen das schädigende Ereignis wiederholt eintritt oder die schädigende Handlung andauert, beginnt die Frist erst, wenn das schädigende Verhalten endet.
Bei Ansprüchen infolge Tötung und Körperverletzung gilt neu eine absolute Verjährungsfrist von 20 Jahren, um den Problemen bei Spätschäden Rechnung tragen zu können. Nach bisher geltendem Recht waren die Ansprüche insbesondere bei asbestgeschädigten Personen bereits verjährt, bevor überhaupt die Krankheit ausgebrochen respektive sich der Schaden manifestiert hatte und objektiv festgestellt werden konnte. Mit dieser Haftungsverlängerung über zwei Jahrzehnte werden Beweisschwierigkeiten allerdings zunehmen. Es empfiehlt sich, die Aufbewahrungsfristen von Unterlagen zu überprüfen.
Die bisher sehr kurze, relative Frist von einem Jahr für ausservertragliche Haftung wird auf drei Jahre verlängert und beginnt, sobald der Geschädigte vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Die relative Frist für die ungerechtfertigte Bereicherung wurde ebenfalls auf drei Jahre verlängert.
Auf drei Jahre verlängert wird zudem die Verjährungsfrist für Anfechtungsklagen im Anschluss an einen Konkurs, eine erfolglose Pfändung oder eine Bestätigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung (neu Art. 292 SchKG).
Verjährungshemmung
Die Parteien können neu vereinbaren, dass die Verjährung während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder eines anderen Verfahrens zur aussergerichtlichen Streitbeilegung – selbst direkte Gespräche fallen gemäss Botschaft des Bundesrates darunter – nicht beginnt oder stillsteht. Für die Verjährungshemmung braucht es gemäss Art. 134 Ziff.8 nOR zwingend eine schriftliche, von den Parteien unterzeichnete Vereinbarung.
Verjährungsunterbrechung
Bei der Verjährungsunterbrechung bestimmt das Gesetz neu, dass die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Solidarschuldner oder den Mitschuldner einer unteilbaren Leistung nur dann auch gegen die übrigen Mitschuldner wirkt, wenn die verjährungsunterbrechende Handlung vom Gläubiger ausgeht. So unterbricht die Schuldanerkennung eines Solidarschuldners die Verjährung nur für diesen Solidarschuldner, nicht aber für die anderen.
Verjährungsverzicht
Seit 1. Januar 2020 ist ein Verzicht erst ab Beginn der Verjährung möglich, und zwar für längstens 10 Jahre (Art. 141 Abs. 1 nOR). Später dürfen weitere Verzichte für jeweils maximal 10 Jahre abgegeben werden. Hinzu kommt, dass ein Verzicht neu explizit der Schriftform bedarf und vom Schuldner unterzeichnet werden muss (Art. 141 Abs. 1bis nOR).
Übergangsrecht
Das neue Recht gilt seit 1. Januar 2020, und zwar auch bei noch laufenden Verjährungsfristen, sofern die neuen Fristen länger sind. Unter Berücksichtigung des Rückwirkungsverbots werden die nach bisherigem Recht bereits abgelaufene Fristen durch das neue Recht nicht berührt. Verjährungsverzichte, die unter dem bisherigen Recht abgeschlossen worden sind, bleiben auch unter dem neuen Recht gültig.
Quellen:
- Christoph Zubler I Von Graffenried Gruppe, Bern www.graffenried.ch/de/ueber-uns/publikationen: Neues Verjährungsrecht ab 1. Januar 2020 – was ändert wirklich? Publiziert am 22.11.2019.
- Annekäthi Krebs I HEV Schweiz, Hauseigentümer – Ausgaben Nr. 20 vom 15.11.2019 und Nr. 22 vom 15.12.2019: Neues Verjährungsrecht per 1. Januar 2020, Teil 1 und 2