(Bild: Ecovative Design, Troy, N.Y.)
Obwohl schon bei den Römern bekannt, wurde Beton erst im 20. Jahrhundert zum alles dominierenden Baumaterial. Dies nicht zuletzt mit der Entwicklung des Stahlbetons. Beton und Stahl als Baumaterialien haben allerdings einen grossen Nachteil: Sie werden aus Rohstoffen gewonnen, die wir der Erdkruste entnehmen und deren verfügbare Vorräte nicht ewig reichen. Beim Sand, ohne den kein Beton gemischt werden kann, ist die Ressourcenknappheit schon seit längerem ein Thema – Stichwort Sand-Kriege. In Südostasien sind in den vergangenen Jahren ganze Inseln verschwunden, weil vor allem die Bauindustrie nicht auf Sand verzichten kann.
Nachwachsende Baustoffe
Forscher des Karlsruher Institute of Technology (KIT) sind zusammen mit der ETH Zürich daran, nachwachsende Materialien auf ihre Baufähigkeit zu untersuchen. Vielversprechend erscheint die Arbeit mit Pilzen, genauer deren Wurzelgeflecht. Während wir mit dem Wort Pilz meist den Fruchtkörper des Lebewesens bezeichnen, befindet sich der grösste Teil des Pilzes im Untergrund. Dort bildet er aus zahllosen Fäden, sogenannten Hyphen, ein feines Geflecht, das Myzel. Pilzbausteine kann man sich wie Pressspanplatten vorstellen, bestehend aus Sägespänen und einem «Kleber», dem Myzel des Pilzes.
Bauen mit Abfall – der perfekte Kreislauf
Das Know-how zur Produktion von Pilzen im grossen Massstab ist bereits vorhanden. Die Nahrungsmittelindustrie ist allerdings nur an den Fruchtkörpern der Pilze interessiert. Das Myzel, das für die Bauindustrie von Interesse ist, fällt bei der Pilzproduktion als Abfall an. Pilze ernähren sich zudem vom Abfall der Holz- und Agrarindustrie und tun dies komplett ohne Lärmemissionen.
Der Vorteil eines solchen Baustoffes liegt auf der Hand. Myzel ist im Gegensatz zu Erdöl, das Hunderttausende von Jahren für seine Entstehung braucht, wesentlich nachhaltiger. Es braucht nur ein paar Wochen Wachstum, kann direkt am geplanten Standort des zukünftigen Gebäudes mit überschaubarem Aufwand herangezüchtet und verbaut werden.
Weitere Forschung nötig
In der Bauindustrie sind die Pilzgeflechte bereits teilweise angekommen, zum Beispiel als Dämmstoff. Um im grossen Stil mit Myzel zu bauen, braucht es noch einiges an Forschung. Mit den fertigen Pilzsteinen kann wegen ihrer speziellen Eigenschaften nicht auf übliche Weise gebaut werden. Pilzstein ist im Moment noch ein relativ schwaches Material, das nur Druck- aber keine Zugkräfte aufnehmen kann. Das muss aber kein Schwachpunkt sein, wenn diese Kräfte statisch voneinander getrennt werden. Auf diesen Bereich der Forschung hat sich die Block Research Group an der ETH Zürich spezialisiert, die schon seit Jahren daran ist, passende Strukturen zu entwickeln. Noch stehen sie erst am Anfang, sind aber überzeugt: Myzel, das Wurzelwerk von Pilzen, wird das Industrie- und Baumaterial der Zukunft sein!
Für weiterführende Informationen: Cultivated Buidling Materials: Industrialized Natural Resources for Architecture and Construction. (Dirk E. Hebel and Felix Heisel, Birkhäuser, Berlin and Basel 2017)