Am 9. Februar 2020 stimmt die Schweiz über die Volksinitiative des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes „Mehr bezahlbare Wohnungen“ ab. Mit der Initiative wird das Ziel verfolgt, das Angebot an preisgünstigem Wohnraum zu erhöhen. Zu diesem Zweck soll in Artikel 108 der Bundesverfassung unter anderem verankert werden, dass der Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus an den neu gebauten Wohnungen gesamtschweizerisch bei mindestens 10 Prozent liegen soll. Kantonen und Gemeinden soll hierfür ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke zugestanden werden.  

Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung lebt in Mietwohnungen. Viele Haushalte – vor allem Familien und der Mittelstand – geben für die Miete zu viel Geld aus, meinen die Befürworter der Initiative. Miete ist der mit Abstand grösste Ausgabenposten im Haushaltsbudget, was die teils emotionale Diskussion rund um die Initiative erklären mag.

Wie Nahrung, Wasser, Kleidung und saubere Luft gehört auch das Wohnen zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Daher muss die Politik dafür sorgen, dass alle Menschen in der Schweiz eine angemessene und bezahlbare Wohnung haben, dies steht – bereits heute – in Artikel 108 der Bundesverfassung. Umgesetzt wird diese Vorgabe auf Ebene des Bundes vor allem durch den sogenannten Fonds de Roulement. Ein Fonds, aus dem Wohnbaugenossenschaften Darlehen für den Bau von Wohnungen beantragen können.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass das Wohnen in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat und dass es trotz aktueller Marktentspannung regional und für verschiedene Bevölkerungsgruppen schwierig bleibt, eine angemessene und finanziell tragbare Wohnung zu finden. Er hat deshalb entschieden, die Ablehnung mit einem Rahmenkredit im Umfang von 250 Millionen Franken zur Aufstockung des Fonds de Roulement zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus zu verbinden. 

Der Anteil des Mietzinses am Budget der Mieterhaushalte liegt gemäss Bundesamt für Statistik seit zehn Jahren praktisch unverändert bei rund 15% – dies bei mehr Wohnraum pro Person, grösseren Wohnungen, gestiegenem Wohnkomfort und gestiegenen Baukosten. Einschliesslich Neben- und Energiekosten geben Mieterhaushalte seit 2000 kontinuierlich weniger aus. Waren es im Jahr 2000 19,7%, sind es heute noch 18,2% (Bundesamt für Statistik, Haushaltsbudgeterhebung HABE).

Ineffizient und kontraproduktiv

Die Forderungen der Initiative stellen einen massiven Eingriff in den Wohnungsmarkt dar, und das Vorkaufsrecht ist eine direkte Einschränkung des Eigentumsrechts. Weil der Bund die Quotenvorgabe auf die Kantone verteilen müsste, besteht zudem die Gefahr, dass auch dort gebaut wird, wo es keine Nachfrage gibt.

In der Stadt Zürich liegt der Anteil an gemeinnützigen Wohnungen im Übrigen bereits heute bei 27 Prozent. In Basel-Stadt hat der Regierungsrat vergangenen Sommer beschlossen, den Anteil preisgünstiger Wohnungen von 13,5 auf 25% zu erhöhen. Aber das Glück der Einen ist oft das Pech der Anderen: denn Wohnbauförderung hat in der Tendenz einen Mietpreisanstieg im freien Markt zur Folge. Analysen zeigen zudem, nur in knapp einem Viertel solcher Wohnungen leben Einkommensschwache. Demgegenüber gehören über ein Drittel der Genossenschafter zur Gruppe der 40 Prozent mit den höchsten Einkommen.

Dass radikale politische Eingriffe in den Wohnungsmarkt kontraproduktiv sein können, zeigt das Beispiel der Stadt Genf. Dort hat der Kanton für ein Drittel der Baulandflächen die Mieten dem Markt entzogen. Folge: Die künstlich tief gehaltenen Mietzinse haben zu den schweizweit höchsten Preisen auf dem freien Wohnungsmarkt geführt.

Erhöhte Risiken für Anleger und Bevölkerung

Unter dem Strich erhöht die Initiative in jedem Fall die Risiken im nicht geförderten Mietwohnungsmarkt. Darüber hinaus beeinträchtigt sie je nach Ausprägung der Nachfrage einerseits die Altersvorsorge aller nicht subventionierten Haushalte und wälzt andererseits zusätzliche Kosten auf die Mieter im privaten Bereich sowie auf die Neukäufer im Eigentumsbereich ab.

Denn letztlich sind wir alle Liegenschaftsbesitzer, wie Adrian Zurbriggen festhält (in Der Bund vom 22. Januar 2020). «Die Pensionskassen haben fast ein Viertel unserer Vorsorgegelder in Liegenschaften angelegt. Immobilien sind das wichtigste Sparvehikel der schweizerischen Bevölkerung. Und da gilt: Wer Rente zahlen will, muss Rendite machen.»

Grüne, SP und Gewerkschaften unterstützen die Initiative, alle anderen Parteien, Bundesrat, Parlament und die meisten Wirtschaftsverbände lehnen die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab.